New Work im Frühsommer 2023

Kürzlich ist das New Work-Barometer 2022 erschienen – mit wieder interessanten Insights aus der agilen Szene (581 Unternehmensrepräsentanten*; die meisten aus größeren KMU 20% und Unternehmen bis 10.000 MA, 24,8%. 54,9% davon Führungskräfte.)

Zwei Aspekte daraus:

1. Wofür New Work steht

Frithjof Bergmann, der Erfinder von New Work, hätte wenig Freude an den Ergebnissen. Im Vergleich zu drei weiteren Definitionen von New Work neben seinem eigenen Konzept (Bezug zur New Work Charta, psychologisches Empowerment im Fokus, Arbeitszeit-/Arbeitsort-Autonomie) ist Bergmann im Sinkflug. Interessant: Mitarbeitende finden das Ursprungskonzept jedoch deutlich attraktiver als Führungskräfte. Und: Homeoffice- / Remote-Themen definieren stark das aktuelle New Work-Verständnis.

New Work steht für mehr Freiheit, Selbstbestimmung, Entscheidungshoheit über Arbeitszeit und -ort. Für Mitarbeiterbeteiligung, grundlegenden Kulturwandel, neue Führung und Status quo-Veränderung steht es nicht - Entscheidungs- und Verteilungsmacht sind nicht der Fokus. Führungskräfte werten hingegen zwei Items hoch: die Ausgabe von mobilen Technologien und transformationale Führung. Die Autoren: „Einem Mitarbeitenden einen Laptop zu überreichen, verändert nichts an den Machtverhältnissen in einer Organisation. Und auch transformationale Führungskräfte müssen keine Macht abgeben.“

Das mag harsch formuliert sein, zeigt aber einen interessanten Punkt: Die Konsequenzen von New Work für die internen Machtverhältnisse ist ein großes schwarzes Loch: Tabu und Angstpunkt. Es ist völlig offen, ob der überhaupt berechtigt ist – zur Zeit tanzen jedenfalls viele um diesen heiklen Punkt großräumig herum.

2. Was New Work am meisten fördert

Gefragt wurde auch, welche der vier Dimensionen des psychologischen Empowermentkonzepts die Unternehmen mit ihren New-Work-Maßnahmen fördern: die Kompetenz der Mitarbeitenden, die Selbstbestimmung der Mitarbeitenden, ihren Einfluss oder ihr Sinnerleben. Was triggert New Work aus Sicht der Befragten am meisten?

aus New Work Barometer 2022

Während viele wahrnehmen, dass New Work das Selbstbestimmungserleben stärkt, sieht das nur eine Minderheit auch für das Einfluss- bzw. Machterleben. Auch hier zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden – für Letztere tut sich in diesem Punkt wenig. Auch dies ist ein „Weak Signal“ für ausgesparte New Work-Dimensionen, an die sich momentan kaum jemand herantraut. (Nebenbei: Der Purpose-Hype ist wohl auch schon wieder vorbei: deutlich rückläufig im Vergleich zur letzten Befragung.)

Fazit

Die Studie birgt viele Indikatoren für kulturelle Reibungsverluste bei New Work (darüber schrieben wir ausführlich hier). Unsere Hypothese: Das liegt nicht zuletzt an der Fachdebatte, die über New Work geführt wird. Man kann dieses Konzept zum neoliberalen Motivations-Booster verzwergen, die öffentliche Debatte stellt genau diese Merkmale ins Zentrum. In der Studie finden sich Anhaltspunkte dafür, dass dem strategisch zumindest teilweise auch so ist. 

Gleichermaßen findet man Anhaltspunkte dafür, dass die Mitarbeiterschaft davon weit weniger begeistert ist als die Führungsebene. Ist New Work nur ein Feigenblatt für verunsicherte Firmen in der Post-Corona-Zeit und einer Störfall-Wirtschaft, die schlicht neue motivationale Energien und Ideen sucht und findet, um das alte Perfomance-Steigerungsspiel weiter fortsetzen zu können – jetzt (evtl. auch nur vorübergehend) mit Sinn und Empowerment?

Vielleicht auch nicht. In diesem positiven Fall müssten sich die Unternehmen über Kräftemangel, nachlassende Bindung, Quiet Quitting und andere unangenehme HR-Trends nicht mehr so viele Gedanken machen und könnten sich zuversichtlich der Zukunft des Arbeitens entgegensehen. (Tun sie bloß nicht.)

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