denkenaufvorrat.de https://www.denkenaufvorrat.de/blog/ Sat, 06 Dec 2025 06:47:32 +0000 de-DE hourly 1 So wirst du 400 Jahre alt: Altenpflege für deinen Betrieb https://www.denkenaufvorrat.de/blog/altenpflege-fuer-den-betrieb/ https://www.denkenaufvorrat.de/blog/altenpflege-fuer-den-betrieb/#comments Sun, 02 Feb 2025 21:43:00 +0000 Aha-Momente https://www.denkenaufvorrat.de/blog/altenpflege-fuer-den-betrieb/ Weiterlesen

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Bist du vom Team »Überstehen ist alles« oder vom Team »Nach uns werden Kirchen benannt«?

Gemäß ökonomischer Zukunftsforschung landet keines der beiden Teams auf dem evolutionären Siegertreppchen. 

Die Frage, wie Unternehmen alt werden und Jahrhunderte überdauern (einige sind weit über 300 Jahre alt), beschäftigt die Disziplin seit Jahrzehnten, es gibt intensive Forschung dazu. Hier drei Strategien – wenn du Longevity-Betrieb werden willst, halte dich an diese Prinzipien [für Eilige: direkt zur Summary].


1. Wisse genau, wer du sein willst

Die Überlebenskünstler der Unternehmenswelt haben alle eine krasse Selbst-Definition; eine Mission oder einen engen Werte-Kodex, der Jahrhunderte überdauert. Genau das hilft ihnen durch jede Krise. Ihr Kompass liegt innen, nicht am Markt. Ein klares Selbstkonzept stärkt den Zusammenhalt. 

Das hat nichts mit Mission Statements oder Purposes zu tun. Der Zweck eines Unternehmens besteht nicht darin, etwas zu erzeugen, in einem Güter-Zweck (das gilt nur für das Ziel seines Tuns, nicht für das Unternehmen selbst). Sondern darin, sich selbst zu erhalten und den Fortbestand der arbeitenden Gemeinschaft zu sichern. Erst dann kommt der jeweilige Zweck, der das ermöglicht. Der Zweck ist also ein soziales Mittel - und deshalb nie aus sich selbst heraus sinnstiftend.

Diese Sichtweise setzt den Führungsfokus radikal auf die Gruppe, auf’s Innen. Den Fokus auf’s Außen halten die Mitarbeitenden heute in ihrem Tun von selbst (bei zeitgemäßer Führung auf der Höhe der technologischen Zeit).

2. Und die Märkte? Werden sofort gewechselt, wenn der eigene zusammenbricht. Wisse: Märkte sind volatil. Führung ist, es zu schaffen, dass die Gruppe das *nicht* ist. 

Das japanische Unternehmen Mitsui (*1673) startete im Tuchgeschäft mit einem rigiden Regel-Kanon, machte weiter im Geldverleih, im Bergbau, dann in der Fertigung, dann wurde es zum offiziellen Geldwechsler der japanischen Regierung. 1945 wurde Mitsui durch eine Doktrin des Präsidenten Truman liquidiert. Mitsui löste sich in 170 Einzelunternehmen auf. 


Nach dem Ende der Besatzungszeit (1952) setzte eine Welle der Wiedervereinigung ein. Die Firmen nahmen ihren alten Namen mit dem »Mitsui« drin wieder an und schlossen sich zu Mitsui-Bussan (1959) zusammen. 

Nicht repräsentativ, japanisch? Die Deutsche Bank wurde von den Besatzungsmächten ähnlich aufgespalten und kehrte in voller Stärke zurück. Andere haben nicht überlebt – die I. G. Farben wurde aufgespalten, darunter BASF und Hoechst, die nie wieder zusammenkamen, in vielen Fällen traten sie in einen scharfen Wettbewerb. - Sowas zu schaffen, ist professionelles Early Warning, Menschenführung (statt KPI-Führung) und eine krasse Gruppenidentität. Vgl. (1).

3. Achte auf eine kohäsive Personalbeschaffung. Das ist keine Frage des Verfahrens, sondern eine Form des Denkens. 

Longevity-Unternehmen kalkulieren strategisch durch, wie sie sich qualitativ entwickeln wollen und eichen daraufhin ihre Einstellungspolitik. In einer Studie heißt es beispielsweise, dass in den insgesamt 1700 Jahren, die alle visionären Unternehmen in dieser Studie zusammengenommen bestehen, es lediglich viermal vorgekommen ist, dass ein Firmenfremder zum Unternehmensleiter berufen wurde – und dies nur bei zwei Unternehmen. Heißt: Halte, verdichte, kultiviere deinen Tribe.

In einem ökonomischen Unternehmen bedeutet Personalbeschaffung nichts anderes, als dass man Leute findet, die dem Vermögensbestand des Unternehmens dienlich sind. Und weil das sozial nicht mehr funktioniert, hängt man inzwischen Plastik-Sinn drüber.

Die Einstellungsquote ist reines Rechenexempel. Man rekrutiert und entlässt keine Menschen, sondern Fertigkeiten – Handfertigkeiten (an Maschinen) und Denkfertigkeiten (für’s Rechnen oder Kreativ-Sein). 

Damit wird eventuell eine Managergeneration reich, aber der Betrieb nicht alt. Your Choice.


Die Praktiken dafür

SilValley 112099584 Kl

Gründe einen Betriebs-Stamm! 

Algorithmen werden deinen Laden nicht zusammenhalten, wenn eine nächste scharfe Krise kommt, das können nur Menschen. Nur Menschen wechseln situativ schnell und klug den Code. 

Agile Betriebe sind belegtermaßen leichter durch die Pandemie gekommen als klassisch geführte Betriebe. Der Hauptgrund dafür liegt in einer anderen Steuerung durch die Leitungen. 

Beispielsweise haben »intrinsische« Führungspraktiken auch das Silicon Valley begründet und großgemacht – sie zeitigen völlig andere Leistungs- und Kreativitätseffekte als klassische Anreizsysteme. Niemand ist dabei 8 Stunden lang im Flow, alle sind jedoch kleine Unternehmer*innen, keine Mit-Arbeiter oder Belegschaften mehr. Musterwechsel.

Das ziellose Herumexperimentieren mit intrinsischen Systemen, wie wir das hierzulande gern tun, ist dagegen fast immer ein Desaster – man sieht es gerade an New Work. Fehlt die unternehmerische Substanz dahinter, sind das reine Methoden-Hypes (SCRUM versus Holacracy versus Design Thinking...), Eintagsfliegen, die alle Beteiligten in immer weitere Frust-Runden schicken. Stabiler werden Betriebe dadurch nicht, langlebiger auch nicht. Bloß der Führungsjob wird mit jeder Runde immer unattraktiver (weshalb viele Jüngeren ihn gar nicht mehr wollen).

Werde sprechfähig! 

Arbeiten, um zu leben - statt leben, um zu arbeiten - ist das Motto eines gewaltigen mentalen und sprachpolitischen Innovationsaktes; denn dafür ist das Verhältnis »Arbeit : Leben« transparent und für alle akzeptabel zu kalibrieren. Arbeiten darf Leben nicht auffressen. Plötzlich gibt es für Führungs- und Arbeitsweisen Legitimationsbedarf. Den gab's noch nie - logisch, bisher lief das Motto ja auch umgekehrt. Genau hier liegt die Bedeutung der Wort-Standarte »Work-Life-Balance« - ein erster Mondschuss hinein in eine anders-unternehmerische Sprache.

Keine Sprache für Neuartiges zu haben, heißt, weder in neuen Kategorien denken, noch sie vermitteln, noch sie attraktiv machen zu können. New leadership means new ways of speaking. Wer keine Worte hat, ist mit Trial & Error tatsächlich besser bedient.

Leben, um zu arbeiten - Vor-Zeitenwende -, ist dagegen ganz einfach. Dazu braucht es Betriebshandbücher, Standards, Sanktionsregeln und immer anspruchsvollere Boni. Und ein paar Leute, die das im 21. Jahrhundert noch mitmachen. Aber keine andere Sprache. 

Diese Komfortzone bröckelt. Das Publikum dafür stirbt aus. 

Definiere eine KI-Strategie! 

Die, die wir hier meinen, liegt nicht in der IT-Abteilung, sondern im Führungszentrum. Sie fußt in deinem eigenen Führungs- und Organisationsverständnis. Die IT-Abteilung spekuliert womöglich auf 24-7-KI's - Longevity Companies spekulieren mit digitalisierter Kommunikation auf Intrapreneure: Lauter »kleine« Unternehmer, die den Flaschenhals der Firma (Management) sprengen und Potenziale erschließen, die Hierarchien schon rein logisch nicht heben können.


Erfolgreiche betriebliche Altenpflege...

gelingt Firmen, die sich um eine scharf profilierte und auch so geführte, sich selbst bewusste, identitätsstarke Gruppe herum bilden. Wir nennen sie »Betriebsbiotope«. Das Gegenteil von Leute-in-Stellenkästchen-stecken.

Da sitzt der Führungsjob: Die mentale Ordnung des Betriebs auszurichten, zu lenken und aufrechtzuerhalten. Der Rest von ehemaliger Führung wandert in agile Strukturen und intelligente Technologie: Das machen die Mitarbeitenden selbst.

Die größte Hürde für diesen Job ist, nicht zu wissen, woran man sich festhalten soll, wenn die KPI-Keule fehlt. 

  • Denn bisher galt: Du führst deine Mitarbeiter zu Ergebnis X, zu einem Resultat. In der klassischen Führungsideologie kommt danach nichts mehr. Alles steht unter der Ägide dieses Zwecks. Die Mitarbeiter sind dem Markt untergeordnet.
  • Künftig tust du das nicht mehr. Die Mitarbeiter produzieren Ergebnisse, die zum Beispiel in einer Multikrise gar nicht absehbar sind. Oder, die ganz woanders, nicht selten viel höher liegen, als du es dir vorstellen konntest. Und die Bedingungen dafür - dass deine Mitarbeiter in jeder Situation die bestmöglichen Mittel und Möglichkeiten haben, um in ihr Maximum zu kommen - stellst du sicher. Du nimmst sie als eigenständigen Faktor wahr - und ernst. Preisfrage:

Woran orientiert sich dann die Führungskraft?

An Verhalten. An Stimmung und Motivation - am Unten.😱 Die Benchmarks machen es vor:

  • Praktisch ist das ziemlich einfach, weil du Führung durch andere Strukturen (etwa technologische, aber nicht nur) sicherstellst, die erwünschte Verhaltensweisen nahelegen, einfordern oder gar erzwingen. Solche Strukturen kontrollieren Verhalten, situativ und kleinteilig, und justieren immer wieder nach. Dafür gibt es eine Fülle cooler, einfacher Methoden.
  • Theoretisch-traditionell denken wir jedoch, dass alles, was nach den Zahlen kommt, Psycho-Kram sei, Kommunikation, Socializing und Zeit-Diebe. Eine Führungskraft muss nach oben »liefern«, Punkt; jeder Zeitinvest darüber hinaus ist ineffizient. Das ist Unsinn - aber verständlich, aus Management-Sicht. Denn da gibt es nichts anderes.
  • Ganz im Gegenteil: Eine Führungskraft liefert nach unten, oder besser: zur Seite. Diese Praxis schenkt Zeit zurück, denn die Sache mit den Zielen und dem Hinterherrennen hinter KPI‘s sickert längst in den Betrieb auf ganzer Breite ein. Nicht mehr dein Job – und deshalb ein völlig neuer Horizont von Führung. 

Longevity Companies passen sich aufgrund einer stark veränderten Rolle der Mitarbeiter an volatile Umfelder viel leichter an rein »marktliche« Unternehmen. Es gibt beeindruckende Beispiele - bloß kennt kaum jemand ihre Führungsprinzipien. Grund: Sie stehen nicht in Büchern, niemand von den Praktikern hatte bisher Lust und Zeit, das aufzuschreiben (Bücher stammen aus der Management-Lehre). Gerade werden sie wieder ausgegraben: Je höher die Ungewissheit, desto interessanter und vernünftiger erscheinen uns diese Prinzipien. 

Wir sammeln und systematisieren sie für dich. Metastrategien, fein justierte Datentransparenz, wie Erwartungsmanagement funktioniert, verhaltensökonomische Anreizsysteme usw. On point: Ein paar Beispiele, Prinzip kapiert, übertragen auf die eigene Situation, fertig. Das alles ist weder kompliziert, noch gar komplex, nur: sehr anders als BWL und Management.

Und maximal »menschennah«, im Gegensatz zum Tanz um's goldene KPI-Kalb. Hier geht's um die menschliche Psyche, nicht um Mathe. Deshalb wollen Leute da hin und von Letzterem weg. 

So geht Survival. Und dann wird man auch alt.

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Zukunftsforschung für DUMMIES: Das bringt sie dir https://www.denkenaufvorrat.de/blog/was-bringt-zukunftsforschung/ https://www.denkenaufvorrat.de/blog/was-bringt-zukunftsforschung/#comments Tue, 28 Jan 2025 23:57:00 +0000 Aha-Momente https://www.denkenaufvorrat.de/blog/was-bringt-zukunftsforschung/ Weiterlesen

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Gehörst du auch zu denen, die hinschauen, wenn irgendwas aus der Zukunftsforschung kommt?

Viele sind dauer-neugierig, was es Neues gibt über das, was heraufzieht. Was aus der Zukunftsforschung schallt, ist allerdings höchst unterschiedlich - und reicht von Astrologie, Dystopien und High Tech-News über Megatrends und »Irgendwas mit 2050« bis hin zu den Awesone Visions der kalifornischen Moonshot-Gurus. Eine Menge zum Staunen, Wundern und Gleich-Wieder-Wegschauen. Kaum einer blickt da durch.

Damit du in diesem Futures-Dschungel nicht zu den DUMMIES gehörst, sondern die einschlägigen Schubladen und Segmente der Zukünftler kennst, ordnen wir das mal

Denn Zukunftsforschung ist auch eine junge Wissenschaftsdisziplin aus dem Westen der USA (1940ff), die methodisch-systematisch beobachtet, auf was wir zusteuern, was die generelle Systemdrift ausmacht und was sich – empirisch detektierbar – gerade abzeichnet. 

In der Unternehmerszene sprechen wir gern vom »Big Picture« - im Grunde ist das etwas Ähnliches. [Für Eilige direkt zum Fazit]


Zukunftsforschung to go

Zufo


Marketing

Zukunftsforschung eignet sich hervorragend für’s Marketing: „Seht her, das musst du unbedingt in deiner Firma machen, das machen jetzt alle / diese Technologie bricht gerade durch!“ Hype-»Verkaufe« ist der populärste Bereich dieses – genau deshalb für viele undurchsichtigen und halbseidenen - Labels.

Gurus

Personenkult ist eine weitere, zentrale Facette von Zukunftsforschung; die marktschreierische Variante mit einem Haufen Sage-Wannabes, die wissen, was kommt. Seit Beginn der Zukunftsguru-Aufzeichnungen (Orakel von Delphi) gibt es ein stabil begeistertes, zahlungsbereites Publikum, das sich gern persönlich und exklusiv von wechselnden Gurus das Kommende deuten lässt. Ein harter Kern dieses Publikums ist seit Jahrzehnten das globale C-Level-Management.

Prognostik

Die klassische Prognostik ist seit jeher ein etablierter Teilbereich der Zukunftsforschung – aber: Ursprünglich war sie die Kontrastfolie, von der sich die junge Disziplin in den 1940er Jahren in Fernwest (militärisch-industrieller Komplex der USA) abgegrenzt hat. 

Das Argument: »Radikale« Zukunft ist nicht vorhersagbar. Prognosen basieren auf »Daten« (also in Zahlen konservierter Vergangenheit). Wenn die Zukunft anders wird als die Gegenwart ist – und damit umso mehr, als es die Vergangenheit war -, ist Prognostik Hühnerbeine-Werfen. Rein logisch: ein Totalausfall.

Mit dieser Einsicht startete Zukunftsforschung als wissenschaftliche Disziplin. Welche alternativen Zugriffe auf Zukunft könnte es - neben der klassischen Vorhersage - noch geben; vor allem in Bezug auf das, was niemand kommen sieht, aber existenziell wichtig ist?

»Radikale« Zukunft meint genau das: Ereignisse und Entwicklungen, die deswegen nicht prognostizierbar sind, weil sie sich nicht linear aus der Gegenwart ergeben (wie die meisten Trends das tun). Jeder »Schwarze Schwan« ist in diesem Sinne »radikale« Zukunft – so heißen in der Zukunftsforschung Störfälle und Unerwartbares. Der Mauerfall war einer (mal ein positiver), Tschernobyl und Fukushima waren welche, auch der Ukraine-Krieg. 

In der aktuellen Zeitenwende vermehren sich diese Viecher wie hulle, unter Anderem das boostert aktuell die wissenschaftliche Zukunftsforschung. 

Wir suchen neue, alternative, komplexitäts-angemessenere Zugänge zur Zukunft – alternativ zu Hühnerbeine-Werfen und Sterne-Gucken, Prognostik, Wahrscheinlichkeitstheorie und Stochastik, Zufall und Trial & Error.

Antizipation

Im Zentrum von Zukunftsforschung stehen deshalb Antizipationsmethoden und Schulen aus Disziplinen, die zur eben skizzierten Fragestellung anschlussfähig sind. So haben beispielsweise Militärs bei außenpolitischen Kontroversen die Szenario-Technik erfunden. 

»Szenarien« kommen von »Szenen«, die sich in Diskussionen tatsächlich – wie im Schauspiel auf der Bühne – zwecks Veranschaulichung ergaben: Länderkonflikte wurden in verteilten Rollen sozusagen »aufgeführt«, um sich besser vorstellen zu können, wie im Kriegsfall ein Land reagiert. Die iterativ durchgespielten Szenen wurden methodisch generalisiert und geboren war die »Szenario-Technik«.

Qualitative Forscherinnen aus den Sozialwissenschaften haben sich die »Delphi-Methode« ausgedacht (eine spiral- und schleifenförmig verlaufende Umfragetechnik). Gedankenexperimente (Philosophie) gehören zum Methodenkanon der Zukunftsforschung genauso wie what-if-frames und vielfältige Spiele mit Zeitformen.

Think Tanks

In enger Beziehung zu diesem harten methodisch-systematischen Kern von Zukunftsforschung stehen die amerikanischen Wissens-Consultancies, die es in Europa zu keiner eigenständigen Tradition gebracht haben. Die Delphi-Methode beispielsweise wurde erstmalig innerhalb der RAND-Corporation angewandt, eine bis heute sagenumwobene Denkfabrik der US-amerikanischen Militärberatung. Aus solchen Think Tanks kommen seit den 1950er Jahren zentrale Impulse für diejenige Zukunftsforschung, für die sich im wirtschaftlichen Sektor das Label Corporate Foresight etabliert hat. 

So heißen die Zukunftsforschungsbereiche der großen Konzerne, die in Deutschland in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts durchaus mal ein Traditiönchen ausgebildet hatten. Nach der Jahrtausendwende wurden sie allerdings peu à peu wieder zurückgebaut, heute sind sie nahezu verschwunden. 


Der Backlash

Auf die Frage, warum die unternehmerische Tradition der Foresight derart kläglich gescheitert ist, lautet die schlichte und ernüchternde Antwort: 

Die Grundintuition von Zukunftsforschung: dass die "rationale" Idee, die Zukunft ergäbe sich grundsätzlich Stück für Stück und plausibel aus dem, was bisher war, hart an der Grenze zum Irrsinn surft (man schaue auf die Menschheitsgeschichte – von den zahlreichen Warnungen vor tödlichen Kipppunkten in allen religiösen Texten bis hin zu Auschwitz: urplötzliche, existenzielle Schocks), hat in Old Europe nie Fuß gefasst. 

Wir auf dem Kontinent haben die Vernunft erfunden – und diese Prägung immunisiert die Europäer bis heute hoch wirksam gegenüber jeder substanziellen Anerkennung der Durchschlagskraft von FantasieVorstellung, Fiktion sowie dem menschlichen Vermögen, über sich hinauszuwachsen (›wer Visionen hat, muss zum Arzt‹ usw.) 

So verrückt die Amerikaner nach diesem Faszinosum sind, so entschieden lehnen es die Europäer ab.


Was hast du davon?

Ein spezielles, nützliches Orientierungswissen. Du kannst dich in einer Stapelkrise positionieren.

Denn leider läuft auch ökonomisches und unternehmerisches Denken über diesen »Bias«, diese kulturbedingte Verzerrung und Verzwergung unserer kontinentalen Weltsicht - wie sollte es anders sein. 

Das ist eine der größten Hürden in der beginnenden Multikrise: Wir entwickeln einfach weiter für die Dinge, die wir gerade erleben, allgemeingültige, "vernünftige" Regeln und Standards, und ergänzen die mit unseren Erfahrungen. Das muss reichen; und bisher tat es das ja auch irgendwie.

Diese Zeiten sind jedoch vorbei, ohne, dass wir das bewusst wahrnehmen und bemerken wollen. „Erfahrung killt [inzwischen] das System“, wie uns ein schlauer Unternehmer sagte.

Die Themen genau dieser blinden Flecke dominieren die aktuellen Debatten - und du kannst anders damit umgehen.

  • Beispiel Führung: Soll die wirklich von oben kommen? Warum? Sind die da oben weiser, fällen die bessere Entscheidungen? Alle anthropologische Forschung sagt etwas anderes: Mit Hierarchie haben wir in den letzten 300.000 Jahren Homo sapiens-Geschichte eher schlechte Erfahrungen gemacht.

    Dieses Format rangiert unter ferner-liefen. Ganz oben steht rotierende Führung – diverse Wechselspiele von Formaten und Personen, im Trendsprech: Agilität. (Ein exzentrisches Experiment unter dem Label »New Work«, das gerade schon wieder zu Ende geht. We die for hierarchy.)

    Für dich: Wie geht nach-hierarchisches Führen? Das Muster ist längst erforscht und konzeptionalisiert.
  • Beispiel Geschichtskultur versus Moonshot-Hype: Die Unternehmen von Elon Musk beispielsweise stehen sämtlich unter dem Dach des Moonshots »Erste bemannte Mars-Mission«. Die USA generell arbeiten an diesem Projekt, Obama hat es ausgerufen.

    Europäer gehen da mental Bier trinken: Unsere vielgepriesene europäische Vernunft verordnet, wir seien die, zu denen uns unserer Vergangenheit gemacht hat, Feierabend.

    Wir im Westen können keine Zeitlogik, andere sind meisterlich darin. Diese Diskrepanz baut sich allmählich zu einem unabsehbaren Problemberg auf:

    Teile unserer Wirtschaftseliten etwa sind geflasht von Disruption und Moonshots (stumpfes, kulturaverses, bewusstloses Kopier-Verhalten). Oder China: Das Land hat eine elaborierte, faszinierende uralte Zeitkultur. Davon, dass wir die an allen Ecken aufbrechenden »Zeitkriege« mit unserer kulturellen Blindstelle in den Griff bekommen, ist nicht auszugehen. Derzeit eskalieren diese Themen sogar innerhalb des Westens. 

    Für dich: Nutze Entwicklungspfade, die uns hier entsprechen! Wie auf dem Flughafen: »Lassen Sie Ihr Mindset nicht unbeaufsichtigt«.


Pro & Con aus Betriebssicht

  • Zukunftsforschung ist gut in Sachen Relevanz. Worum es geht, was kommt und warum, mit welchen Neben- und Folgewirkungen.
  • Zukunftsforschung ist schlecht im Terminieren. Wann genau etwas eintritt, wissen wir nicht. Tempo und qualitative Dynamiken hängen in einer global interdependenten Welt an zu vielen Einflussfaktoren.

Vergleichbar mit dem Klima: Wir können präzise beschreiben, welche Wirkungen der Klimawandel haben wird, unvermeidlich, weil die Entwicklung nicht aufzuhalten ist; aber die Effekte der zahlreichen Einflussfaktoren darauf – sowohl als Treiber als auch als Bremsen – lassen sich kaum kalkulieren. Es gibt Negativ-, aber auch Positiv-Spiralen. 


Für Entscheider ist solches Know-how nützlich:

  • Sie wissen, was „in the long run“ am Horizont steht.
  • Sie können deshalb innerhalb ihres Wirkungsradius, intern und am Markt, die Richtung und oft auch die Geschwindigkeit der Ereignisse mit beeinflussen. Sie können hemmen oder treiben. Sie haben Handlungsmacht.
  • Sie können deshalb mental Einfluss nehmen. Menschen handeln nach ihren Gedanken und Gefühlen. »Führungs«kräfte stehendeshalb dafür in Verantwortung.

Für alles das brauchst du Systeminformationen. Ohne Richtung und »Big Picture«-Perspektive bist du Gefangener der gegenwärtigen »Gezeiten«, führen kann man so nicht. Die Militärs haben das als erste verstanden (bei ihnen ist der Preis, wenn sie verlieren, am höchsten).

Dieses Wissen ist inzwischen allen zugänglich. Wir haben es für dich operationalisiert - für's häppchenweise Verfrühstücken im eigenen Betrieb.

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Drei Prüfkriterien, ob dein Purpose Sinn macht https://www.denkenaufvorrat.de/blog/neues-vom-purpose/ https://www.denkenaufvorrat.de/blog/neues-vom-purpose/#comments Sun, 19 Jan 2025 23:12:00 +0000 Mindset https://www.denkenaufvorrat.de/blog/neues-vom-purpose/ Weiterlesen

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Neulich auf der Vorstandsetage.Purpose Quelle: Cartoons Möller christian@cloud-science.de


(1) HR

Falls du einen pathetisch aufgeladenen Groß-Zweck für dein Unternehmen brauchst, um deinen Mitarbeitern ein Verständnis dafür zu vermitteln, was ihr überhaupt macht, darfst du kurz innehalten. Das Risiko ist hoch, dass du mit dem Transporter »Purpose« eine kontraproduktive Entscheidung fällst.

Dafür, dass Mitarbeiter (zumindest geistig) gehen, wenn sie den Eindruck haben, veräppelt zu werden, gibt es bisher nur Indikatoren - dafür aber immer mehr. Wenn Mitarbeiter merken, dass schlechte Führung mit immer neuen Mohrrüben verschleiert wird (statt abgestellt zu werden), werden sie renitent. Das ändert sich auch nicht dadurch, dass die Mohrrüben inzwischen metaphysisch hochgetuned werden. - Beispiel.

Gesundheitsmanagement


(2) Marketing

Falls du deinen Purpose aus marketingstrategischen Zwecken nutzt, erzeugst du den Eindruck, dass dein Produkt oder deine Dienstleistung eine Überhöhung braucht, weil dein Angebot allein nicht überzeugt.


(3) Trend-Gläubigkeit

Falls du einen Purpose hast, weil die Trend-Industrie es empfiehlt, stell die interne Legitimation und Akzeptanz dafür sicher! Das darfst du aktiv betreiben - denn glaubwürdig wird Führung nicht dadurch, dass sie ausgerechnet in Krisen Trends folgt. (Wer sich für das Thema interessiert: So werden Trend-Zukünfte gemacht.)


Unternehmen mit einem wirksamen Purpose haben den nicht auf der Website stehen. Er steuert Denken und Handeln, und das reicht dann auch. Oder hast du bei der katholischen Kirche, Apple oder dem Weißen Haus in den USA schon mal einen ausformulierten Purpose gesehen? Auf die Idee kommt nur, wer keinen hat. Die EU zum Beispiel könnte mal einen gebrauchen.

Alternativ schlagen wir vor, intrinsisch zu führen. Dann brauchst du weder Hypes noch Bedeutungsbooster, um künstlich Relevanz in dein tagtägliches Tun zu pumpen.

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Führungsvorbild Jacinda Ardern: So fischst du Mitarbeiter https://www.denkenaufvorrat.de/blog/fuehrungsvorbild-jacinda-ardern/ https://www.denkenaufvorrat.de/blog/fuehrungsvorbild-jacinda-ardern/#comments Sun, 19 Jan 2025 22:26:00 +0000 Beispiele Anders-Leister https://www.denkenaufvorrat.de/blog/fuehrungsvorbild-jacinda-ardern/ Weiterlesen

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Drei Führungsmuster, mit denen die Aufmerksamkeit dir gehört und Mitarbeiter nach 8 Wochen in deine Unit wechseln wollen


Wo aktuelle Führungsprobleme sitzen

Nicht nur, aber vor allem die jungen Generationen verändern derzeit die Einstellung zu »Lebens«zeit. Sie setzen sie zu »Arbeits«zeit in Beziehung und steigen aus den Performance-Rat Races aus.

Etablierte Führungskräfte, insbesondere aber hierarchische Spitzen, haben damit dreifachen Ärger.

  • Sie verstehen diesen Habitus nicht („wer was rausbekommen will, muss vorher erst mal einzahlen!“).
  • Sie bekommen ein betriebliches Problem, weil wandelbare Arbeitseinstellungen für sie nicht Teil ihres Weltbildes sind. Arbeit ist Arbeit - und wer anderes behauptet, ist naiv oder Saboteur.
  • Sie verfügen über keine Führungsalternativen zum alten Stil: Druck und Mohrrüben vor die Nase hängen – so geht das. Zuckerbrot und Peitsche. Ist das Wetter schön, gibt’s New Work oder einen Werte-Workshop. Steigt der Stress, wird Homeoffice wieder gestrichen und die Krankmeldungsregelung geändert.


Was du tun kannst

Inspiration und tatsächliches emotionales Verstehen dieser Entwicklung erhalten wir nur von realen Anders-Leadern. Von Beispielen und Vorbildern, die sich anders verhalten als wir, für uns: rätselhafterweise. Was sind das für Rätsel? Werte-Rätsel. [Für Eilige direkt zum Learning]

  • Viele Gesellschaften basieren auf kulturellen Werten, die religiös, kollektivistisch, über Jahrhunderte traditionell gewachsen oder anderweitig für diese Gruppe ethisch verpflichtend sind (so wie unsere Werte für uns).
    So ist z.B. in kollektivistischen Kulturen die Gruppe wichtiger als der Einzelne. Oder die Dorfgemeinschaft und deren Zusammenhalt in einer unwirtlichen Umgebung wichtiger als das Individuum. Freiheit finden alle gut – aber unter anderen geographischen und kulturellen Bedingungen steht sie entweder weiter unten im Werte-Ranking oder, was meistens hinzukommt, bedeutet etwas anderes als bei uns.
  • Analoges gilt für Fairness und Gleichheit. Steht die Gruppe im Vordergrund, sind individuelle Maßstäbe für das, was als fair und gerecht gilt, in Bezug zu setzen zur Gesamtheit. In China etwa beträgt dieser Maßstabsbezug 1,4 Milliarden Menschen.
  • Einige Gesellschaften befinden sich in einem Dauerkriegszustand, der sich in eine Art Normalität verwandelt hat (die niemand wollte und will). Frieden ist ein hehrer Wert, derzeit für diese aber nicht erreichbar. Und in kriegerischen Situationen zählt dann anderes. Einem Volk im Krieg die hohe Bedeutung von Frieden zu erklären, ist wenig hilfreich. »Frieden« ist bei ihnen etwas Kleines, Bescheidenes, Kostbares zwischendurch. U.a.m.


Wenn du damit anfängst, dich für Werte und Identität zu interessieren, kommst du auf eine andere Stufe von Resonanz und Beziehung - von Führung. Ein interessantes Vorbild dafür ist Jacinda Ardern, die Ex-Premierministerin von Neuseeland. 

Jacinda


2017 kam Ardern in Neuseeland eher unverhofft an die Macht. Die junge Ardern versprach einen Wahlkampf von „schonungsloser Positivität“, der Erfolg hatte. Im Februar 2023 trat sie freiwillig zurück. Sie könne ihrem Auftrag aus Gründen fehlender Kraft und Energie nicht mehr gerecht werden.

15. März 2019: Attentat in zwei Moscheen in der neuseeländischen Stadt Christchurch. Ein australischer Rassist erschießt 51 Muslime beim Beten – ein Blutbad von historischem Ausmaß für das sonst friedliche Land. Zum ersten Mal wird Jacinda Ardern der Weltöffentlichkeit bekannt, als Frau im Hidschab.

Statt mit harten Worten scharfes Vorgehen zu markieren, geht sie mit muslimischem Tuch auf dem Kopf zum Tatort und umarmt die Angehörigen der Opfer. Muslime seien nicht einfach eine andere Bevölkerungsgruppe, die in Neuseeland lebt, macht sie klar: „Sie sind wir.“ Ihre Trauerreden sind Botschaften der Versöhnung.

Ardern hat ein paar Überzeugungen, die unserem Wertekosmos fremd sind. 

Drei dieser Überzeugungen können unsere westliche Führungssituation bereichern, weil sie inzwischen den westlichen Zeitgeist treffen. Sie nehmen das vorweg, was wir spätestens seit Corona dringend bräuchten.


1. Die Identität achten

Ohne klare Identität der Gruppe und ihre aufmerksame, strategische Führung funktioniert auf kabbeliger See [in Dauerkrisen] kein Gruppenzweck. 

Der Westen merkt das gerade. Wir haben seit Jahren eine intensive Identitätsdebatte, bis hin zu neuen Gruppenbildungen (»die Identitären« usw.). Führen können wir diesen »Trend« bisher in keiner Weise.

Wir als Gruppe sind das stärkste Instrument für das Überleben von Krisen, so die Überzeugung von Ardern. Wir brauchen die Gruppe, die Bindung, ein Zusammenstehen. Der Rest sind Peanuts. Wenn die Gruppe »geeicht« ist auf das, was alle wollen, übersteht sie (fast) alles.

Vorbild-Leader wissen das und können es führen. Der ehemalige US-Präsident Barack Obama stimmte 2015 bei einer Trauerfeier nach einem Massaker an neun Afroamerikanern in einer Kirche „Amazing Grace“ an. Er zielte direkt auf den kulturellen Kern der betroffenen Gruppe, fern jeder – in solcher Situation notorisch unpassenden - »Rede«.

Jacinda Ardern führte das Land nach dem rassistischen Doppelanschlag mit 50 Toten auf zwei Moscheen in Christchurch auf einzigartige Weise durch diese Krise. In den ersten Stunden sagte sie: „Wir sind kein Ziel geworden, weil wir ein sicherer Hafen sind für die, die uns hassen. Man hat uns nicht gewählt, weil wir Rassismus billigen oder eine Enklave des Extremismus sind. Sondern, weil wir eben all dies nicht sind.“ 

Sie artikulierte die Identität der Gruppe, vergewisserte sich inmitten der anderen, wer sie sind. Wenn wir das wissen, ist „alles klar“, viel mehr braucht es nicht. Ardern erschien mit Hidschab, dem schwarzen Kopftuch der Musliminnen, nahm Frauen in den Arm. „Neuseeland ist in Trauer vereint. Wir sind in Trauer vereint.“ Die Bilder gingen um die Welt.

Solche Führung ist sehr selten, statistisch gesehen existiert sie gar nicht. Sie

  • ist weiblich konnotiert, das kann sich kein Manager leisten. Manager haben die Dinge »im Griff«, nicht im Arm.
  • konzentriert sich auf’s Soziale, die Menschen, die gerade da sind. Nicht auf Ursachen, Einflüsse, die Mörder oder etwas außerhalb. Nicht auf Zahlen. Übersetzt: Wenn die Welt zusammenbricht die Ziele höher zu stecken (oder Homeoffice zu verbieten oder Krankmeldungen unkomfortabler zu machen), ist ein pathologisches Träumchen von Westlern. Es ist »vernünftig« und daher unsterblich. Ob es überhaupt funktioniert, ist nicht das Kriterium.

Junge Menschen bei uns fangen an, solche Organisationen zu meiden, in der Breite ganzer Generationenlagen.


2. Nicht elitär sein

Ardern hat einen Abschluss in Politik und Kommunikation, wer aber nach PR-Beratern und Image-Experten forscht, sucht vergebens. Auch ihre Herkunft ist bodenständig. Sie stammt nicht aus einer Politikerdynastie, sondern aus einer Mormonenfamilie. Ihr Vater ist Polizist, ihre Mutter Assistentin bei einem Pflegedienstleister.

Die Welle neuer Eliten, die anti-elitär daherkommen, rollt im Westen gerade erst an. Es ist egal, wer diesen Anspruch erhebt (kann auch ein Milliardär sein). Wichtig ist, dass er erhoben wird. Diese Welle könnte die Demokratie wegschwemmen, so groß ist der Druck.

»Eliten« außerhalb von Kaderschmieden, Ivy-League, akademischen Führungsprogrammen und Zertifikate-Assessments zu rekrutieren, wäre in dieser Situation eine ziemlich gute Idee. 

Rotationen, Auswahl per Zufallsprinzip, mehr Beteiligungsformen und Mitspracherechte für Mitarbeiter, neue Führungsmuster wie Unternehmensdemokratie sind längst etablierte Führungsexperimente in zukunftsrobusten Firmen. Sie folgen Prinzip (1): Erst das Soziale klären, dann die Ziele angehen.


3. Das Soziale als fluide und uneindeutig respektieren

Beim Treffen der Staatsoberhäupter des Commonwealth im Buckingham Palace sorgte Ardern für Aufsehen: Gekleidet in ein ockerfarbenes Kleid, ergänzt durch einen traditionellen Korowai-Umhang aus Kiwifedern. 

Der Korowai symbolisiert bei den Maori Status und Macht und ist traditionell den Häuptlingen und Ältesten des Stammes vorbehalten – Männern. Das Bild von ihr ging sofort viral, da es als Zeichen eines Rollenbruchs wahrgenommen wurde: Eine schwangere weibliche Führungspersönlichkeit, die diesen prestigeträchtigen Mantel trägt und zugleich ihr Land repräsentiert.

Rollenfragen, -öffnungen und -experimente sind in modernen Gesellschaften seit Jahren ein Mega-Thema. Führungskräfte müssen nicht in Unternehmen damit herumprobieren, aber sie könnten anfangen, zumindest die Basics des modernen Zusammenlebens in der Organisation zu achten und zu spiegeln. Wir belassen es mal bei den Basics: Noch nicht einmal bei den Frauen funktioniert das. No regret, no surrender: Die Jungen wenden sich ab von solcher Unkultur.

JacindaA

Beim Besuch der Queen mit traditionellem Maori-Umhang. Bild: Imago. Quelle


Schon klar: Für managementgeprägte Führungskräfte sind solche Führungsmuster uninteressant und nicht überzeugend. 

Sie verfehlen den Führungszweck, nämlich das Gedeihen des Betriebs zu sichern. Von Empathie, Diversität und anti-elitärem Habitus »kann man sich nichts kaufen«.

Doch, längst.

Die drei vorgestellten Führungsmuster sichern dir in Wirtschaftsbetrieben deswegen Aufmerksamkeit und ziehen Mitarbeiter in deinen Bereich, weil du damit

  • Menschen und ihre Aufmerksamkeit
  • Loyalität und Bindung
  • Mitdenken, Vorschläge, intrinsische Motivation
  • Interesse am Betrieb, auch Führungsinteresse; Mitmachen-Wollen, diesen Tribe unterstützen, weil er es wert ist,

im mentalen, psychologisch-emotionalen Sinne »kaufen« kannst. Genau das sind die tektonischen Platten einer intrinsischen Leistungskultur - was Manager aber eben kaum interessiert (wir schrieben darüber)


Ausblick - und was du davon hast

Ob wir in den nächsten Jahrzehnten die etablierte Monokultur überwinden werden, ist offen. Das Prinzip „Erst das Leben, Überleben, die Menschen - dann irgendwas anderes« ist banal. Jedes Kind versteht das. 

Unsere Führungseliten wollen es bisher nicht verstehen und mussten das auch nicht, werden aber von Multikrise (»wachsen allein genügt nicht«), Survival-Zwängen im globalen Wettbewerb und seltsamen neuen Menschen mit seltsamen neuen Wünschen immer unsanfter dorthin geschubst.

Es ist diese Situation (die anhalten wird), die Führungskräften, die sich darauf einlassen, was gerade passiert, einen nachhaltigen Wettbewerbsvorsprung eröffnet – schon jetzt, gut sichtbar. Es gibt zahlreiche Beispiele.

Deutsche Vorzeigeunternehmen, die mit den alten Mustern brechen, haben weder Kräftemangel noch Bindungsprobleme - sie fischen. Und haben das Privileg, sich intensiv mit den Hauptproblemen eines jeden Betriebs beschäftigen zu können: mit dem Markt und den Kunden (daher kommt der Wettbewerbsvorsprung), nicht mit den Kollateralschäden aus der Zeit gefallener Werte und lethargischen Belegschaften.

Führung der Gruppenidentität heißt, Denken und Bewerten zu führen, nicht KPI's. Genau das sichert das Überleben deines Betriebs. (Denn Rechnen kann inzwischen der Algorithmus, und zwar besser als wir.)


Und auch das, die Working Experience, lässt sich messen - all das hat nichts mit Moral und hehren Ansprüchen zu tun. Wer sich für diese Art des Führens interessiert: In unserem Silicon-Valley-Buch [Kap. 2.2 ff] haben wir das operationalisiert. Dabei geht's um Deep Play und Straight Talks. Vorzeige-Unternehmen dehnen ihre Gruppenidentität auf solche Weisen »to the max«.

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Was tun, wenn die Produktivität sinkt? Drei Optionen https://www.denkenaufvorrat.de/blog/mehr-produktivitaet/ https://www.denkenaufvorrat.de/blog/mehr-produktivitaet/#comments Sun, 19 Jan 2025 18:11:00 +0000 Challenges https://www.denkenaufvorrat.de/blog/mehr-produktivitaet/ Weiterlesen

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Worum geht’s?

Deutschland hat ein Produktivitätsproblem. Der Leistungs-Output im Vergleich zu anderen stimmt nicht mehr. Woran liegt das?

Diskutiert werden etwa Arbeitsstunden - pro Vollstelle 163 Stunden weniger im Jahr sind es bei uns im Vergleich zur Schweiz. Wir haben eine Menge Feiertage und viele Ausfallzeiten wegen Krankmeldungen. Wir haben Hängematten-Syndrom bei den Jüngeren, Wettbewerbsprobleme und fallen zurück.

Staat und Politik sollen die Rahmenbedingungen ändern, wird aus den Unternehmensspitzen und Lobby-Verbänden gefordert. Und die Arbeitnehmer müssten auch wieder mehr ran. Aber wie?

Von innen heraus betrachtet – als Führungsverantwortliche(r) – hast du drei Optionen. [Für Eilige direkt zur Summary]


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A    Dem Mainstream folgen

Der Mainstream ist definiert durch [Gewohnheitsinstinkt x Rudelverhalten]. 

Bedeutet: Wenn die Leistung sinkt, muss du den Druck erhöhen, weil sonst das Phlegma der Mitarbeiter siegt und die Komfortzone ungehindert wächst. Das sagen jetzt alle. Klare Kante ist Trend, auch in der Politik; die gibt gerade viel vor. 

Die Welt erlebt zum Beispiel mit, wie effektiv professionelle Verhandlungstaktiken sind, wenn sie konsequent durchgezogen werden. (Ein amerikanischer Präsident, der noch gar nicht im Amt ist, sorgt für den Kotau fast sämtlicher heimischer Monopolisten und vorauseilende Unterwerfungsgesten in vielen Länder, die auf die USA angewiesen sind, u.a.) Lernkurve: Pressure works! Wenn du das ständig an jeder Ecke siehst, hast du's irgendwann begriffen.

Der (sehr alte) Code:

  • Fahre Homeoffice bzw. orts- und zeitsouveränes Arbeiten zurück
  • Konfrontiere Work-Life-Balance-Ansprüche mit Betriebserfordernissen, die schließlich den Arbeitsplatz sichern
  • Nutze angespannte Wirtschaftslagen als Argumentationsgrundlage, um Autonomiestandards zu schleifen
  • Verweise auf die (männlichen) Zeitgeist-Vorbilder in Führung und nutze gesamtgesellschaftliche Trends und Stimmungslagen, um dir Begründungen zu sparen
  • Übe dich in dosierten, gut positionierten Drohgebärden („langfristig planen können wir gerade nicht, ich fahre die nächsten Monate erst mal auf Sicht“). Latente Unsicherheit hält die Konter-Lautstärke niedrig...

Der »Machiavelli für Manager« wird gerade fleißig weitergeschrieben. 🚀💀

 

B    Experimentieren

»Experimentieren« heißt der Mainstream speziell für Status-Leader und Management-Influencer; Mainstream 2.0 sozusagen. Der Mut, Neues auszuprobieren, im Fall des Scheiterns eine Party zu geben („Fuck-up-Nights“: Die Misserfolge teilen, Lernen anstoßen, Fehlertoleranz feiern) und damit immer weiterzumachen, liegt ebenfalls im Trend. 

Dieses Verhalten ist eine Kopie aus Fernwest – ein Habitus, der auf dem Kontinent systemfremd ist und mit einer sozialverträglichen Marktwirtschaft nichts zu tun hat. Ursprünglich sollte dieses Muster Disruption triggern, Innovationen erzeugen, Nerds motivieren, aber kein Unternehmen zusammenhalten. Wer Moonshots will, muss hoch springen. Achtung Logik – da passt’s hin!

Europäer wollen nicht hüpfen, sondern mit ganz unterschiedlichen Anderen zusammen vorankommen, ohne in der Vorwärtsbewegung das wieder einzureißen, was man sich über Jahrzehnte mühsam aufgebaut hat. Unser Programm ist anders. Ob dafür kopfloses Herumprobieren zweckdienlich ist, darf jede(r) für sich entscheiden.


C    Ein anderes, heute besser passendes Leistungssystem etablieren

Stellt sich die Frage, welches. Unser Vorschlag:

  • Ein westliches (es sollte kulturell passen; chinesische Aspirationen sind bislang nicht mehrheitsfähig).
  • Ein modernes, aktuelles (keine Neuauflagen aus dem 19. Jahrhundert à la Mainstream). Grund: Rezepte von anno dunnemals funktionieren bei Jüngeren nicht mehr, wohingegen Boomer sie lieben. Sie kennen nichts anderes, so ging »Professionalität« während ihrer Sozialisationsphase. Sie können nichts dafür. (Zur Erinnerung: Der aktuelle Backlash in der Arbeitsorganisation - ➡️ Mainstream - kommt durchgehend von Männern über 50. Lies CEO-Interviews.)
  • Ein erprobtes. Eines, das eine gewisse Validität und Systematisierung mitbringt. Das messbar und anpassbar ist. Muss ja noch nicht gleich nobelpreisverdächtig sein, aber Businessplan-Level eines Startup nun auch nicht.

Man kann auch andere Maßstäbe nehmen, aber wir bevorzugen diese. Uns überzeugen die Vorteile.


Vor und Nachteile


Und wie entscheidest du das jetzt?

Wir kippen mal kurz in die Binse. Jeder entscheidet gemäß limbischem System. Heißt, wir sammeln Argumente für eine Entscheidung, die uns jeweils selbst maximal entspricht.

Wenn dem so ist (was nicht schlimm oder verkehrt sein muss, auch, wenn es sich irrational anhört), beruht zeitgemäßes, professionelles Entscheiden aus zwei Verhaltensweisen:


(1) Mach' dir deinen Entscheidungsprozess bewusst.

Falls es dir gelingt, dich entscheidungsstrategisch mit deiner eigenen Persönlichkeit zu versöhnen, kannst du eine authentische, glaubwürdige Führungsarbeit verrichten, gut legitimierbare Entscheidungen identifizieren - und durchsetzen. Das ist mehr, als den meisten Führungskräften vergönnt ist. Es ist die Königsdisziplin von Führung, erfordert aber etwas anderes als dem Rudel zu folgen.

Das Prinzip, das dahinter liegt, ist die zweite Maxime professionellen Führungsverhaltens:


(2) Entscheide dann von innen nach außen. Nicht umgekehrt.

Dieses Prinzip beherzigen im vernunftgesteuerten Europa die wenigsten, weil es dich radikal in Verantwortlichkeit bringt - und vom Rudel trennt. Mainstream und Fehlertoleranz-Erhöhen gehen schneller, sind einfacher und vor allem: Mit dem Außen, der „Realität“ (immer gut im Management) zu rechtfertigen. 

Wir hier brauchen Vernunft, um sozial zu überleben, zwingend und alternativlos. Die anderen nicht. Deshalb sind sie häufig weiter.


Jetzt werden einige hüsteln. Wir argumentieren hier jedoch nicht gegen Vernunft, sondern für ihre Aufstufung. 🧠 #fighting blind spots

Der Code, wenn du hirngerecht, „human-like“ entscheidest und deine Mitarbeiter führst:

  • Wenn dir Zugehörigkeit wichtig ist, wirst du dem Mainstream folgen. Und das ist dann auch gut und richtig, weil deine psychischen Kosten ansonsten durch die Decke gingen. Es ist klug.
  • Wenn du zu Revoluzzertum und Eigensinn neigst, wirst du auf Disruption abfahren, auf „Hacks“, „Sprunginnovationen“ lieben und Menschen folgen, die Dinge anders machen. Und sei’s aus Prinzip und Haltung. Auch gut. Dann versuche, deine Leute vor Kollateralschäden zu schützen. Das gehört zentral zu deinem Führungsjob, denn im Experimental-Labor fallen eine Menge durch’s Rost.
  • Wenn du eine nüchterne Natur bist, aber durchaus bereit für Veränderungen, möchtest du diese Änderungen erstmal halbwegs verstehen, bevor du sie veranlasst. Du schätzt ein Mindestmaß an Logik und Konsistenz, dafür bist du nicht der Schnellste. Willkommen im Club. In unserer kleinen Leader-Typologie ’21 gehören wir zum dritten Stamm.


Es ist egal, wie du tickst. 

Wenn du in Führungsverantwortung bist, ist es dein Job, gute Entscheidungen für alle zu treffen, die du menschenzugewandt durchsetzen kannst. Das kannst du gut, wenn du dir-selbst-gemäß führst.

Mach nicht den Fehler dir einzureden, deine Entscheidungen seien eine Frage der Umfeldentwicklungen; dessen, was da draußen passiert. Das ist bloß die Legitimationsstrategie, die sich Europa inzwischen zugelegt hat, um keinen eigenständigen Führungsanspruch mehr formulieren zu müssen. Selbstverzwergung.🪳🍄‍🟫 Hör auf damit.

Ein kluger Mensch macht nicht alle Fehler selbst. Er gibt auch anderen eine Chance. Churchill


Wir in Europa haben uns längst auf’s Kopieren verlegt, und genau das spiegelt sich in der Managementdebatte. Oder in der Führungsdebatte. Oder in der Produktivitäts- und Leistungsdebatte. Wir graben zum Beispiel Jack Welch aus und feiern die Eighties.🥂

Menschen entscheiden immer auf Basis dessen, was ihre Festplatte zwischen den Ohren ihnen als Reaktion auf das Draußen gerade ausspuckt. Hierzulande sind das Rezepturen aus Zeiten, in denen wir nicht mehr sind. Das ist den meisten aber egal, weil diese Rezepte anerkannt sind, als professionell gelten und den eigenen Status aufrechterhalten.

Führung bedeutet, diesen Anteil unvermeidlicher blinder Flecke an der eigenen Praxis einzupreisen und kontrolliert zu halten. (Da hast du mal zumindest ein Detail über das Nächste Führen, das würde hier zu lang. Es ist so viel leichter als unser aktuelles Führen, weil wir den eigenen mentalen Korridor begehen, in dem wir sowieso nur handeln. Bloß jetzt bewusst - und halten strategisch Spur. Und das schenkt uns extrem viel Energie und Spielräume zurück). 🙌


Summary

Die Produktivität sinkt – was tun?

  1. Zurück ins 19. Jahrhundert. Quick & easy, kein großer Denkaufwand. Jeder weiß, was er zu tun hat, Zuckerbrot, Peitsche und mehr Druck. Und los.
  2. Versuch & Irrtum. Cool, alle sind locker drauf, vor Verantwortung geht keiner krumm. Wir sind stolz auf unsere Fehlerkultur. Erzeugt Aufmerksamkeit, gut für dich. Hol das Maximum raus, manchmal ist sowas ein Selbstläufer.
  3. Strategisch einen Marathon laufen und Stück für Stück die Strukturen anpassen. Erfolgsfaktoren identifizieren, ordnen und in enger Kooperation mit deinen Leuten etablieren. Eine Strategie, die nie aufhört, ein "unendliches Spiel", wie das auf schlau heißt (Simon Sinek). Kein Management-Circle hier mit Kick-off, Meilensteinen und Abschluss, kein Sprint! Der Lohn: Du gründest einen Corporate Tribe. Du stiftest Bindung, Leute »halten aus«. Du legst intrinsische Motivation grund. Eine privilegierte Führungserfahrung, aber nichts für Leute, die einfach nur gute Ergebnisse wollen. (Wen's interessiert: »Beziehungsführung«. Kurzes Tutorial)

Merke: That's exactly what your next employees want! 

Deine Entscheidung.

Du erhälst bei uns eine Menge Tipps, was du in Option 3 konkret tun kannst. Aber zuerst legst du deine Haltung zur Führungsfrage fest (sonst trieselst du von Trend zu Trend). Und falls du so weit nicht gehen möchtest, verschwende keine Lebenszeit und lies lieber Trendreports. Wir sind nur ehrlich.

Aber sag nicht, du hättest keine Option.

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Generationenbashing ist eine Führungs-Ausrede! https://www.denkenaufvorrat.de/blog/generationenbashing/ https://www.denkenaufvorrat.de/blog/generationenbashing/#comments Fri, 17 Jan 2025 10:07:00 +0000 Aha-Momente Anders-Leister https://www.denkenaufvorrat.de/blog/generationenbashing/ Weiterlesen

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Junge Mitarbeiter leisten zu wenig?

Generationenbashing ist eine Ausrede lernunfähiger Führungskräfte und Ausdruck schlechter Führungsleistung.

Okay, frech und unverschämt. - Warum so krass formuliert?

Die aktuelle Story-Line

Gerade ist Party-Stimmung in Sachen Gen Z- und Alpha-Bashing. Die Post-Corona-Schonfrist ist vorbei – die Jungen genossen nach den harten staatlichen Maßnahmen während der Pandemie erst mal Welpenschutz, weil sich alle schämten.

KITA’s und Schule unterbrochen, Kontaktsperre, Ausgehverbote. Das Sozialleben der meisten Kinder und Jugendlichen während dieser Zeit wurde von der Gesellschaft kurzerhand ausgesetzt.

Und nun strömen sie in die Firmen – und haben was im Kopf? Work-Life-Balance, Arbeit, die Spaß macht, nette Kollegen und pünktlich Feierabend. Dass es in vielen Unternehmen an Innovations- und Leistungsbereitschaft mangelt, liegt nicht nur am allgemeinen Personalnotstand und Fachkräftemangel, sondern vor allem an denen, die noch da sind.

Und von denen eben hauptsächlich an den Jungen... – this is how the story goes.

Blog 1b

Was davon belegt ist

Richtig ist, dass die Wirtschaft ein erhebliches Fachkräfteproblem hat.

Noch richtiger: Ein Kräfteproblem, denn es fehlen Menschen an allen Ecken und Enden, auch Springer und Geringqualifizierte. Und richtig ist auch, dass Deutschland ein Innovationsproblem hat. In unseren Vorzeigeindustrien – etwa Automotive – ist uns inzwischen selbst China 10 Jahre voraus, vom Silicon Valley ganz zu schweigen.

Was wir gut können: Perfektionismus („Made in Germany“) und moralischer Weltmeister sein (grüner Stahl, Windkraft, hohe ökologische Ansprüche), nur beim Perfektionismus in Sachen Realisierung hapert’s. Soweit das Belegbare.

Was nicht belegt ist

Generationen-Studien gibt’s wie Sand am Meer. Abhängig von Breite und Größe der Stichprobe, Land, Formulierung der Fragen (Framing-Effekte) und Auftraggeber kommen gegensätzliche Ergebnisse dabei heraus. Belegen lässt sich hohe Leistungsbereitschaft genauso wie niedrige; Karriereorientierung genauso wie Desinteresse am Aufstieg.

Alles andere wäre allerdings auch seltsam: Dass eine ganze Generation verrückt ist nach Karriere – oder genau das Gegenteil –, gab es weder in der Vergangenheit, noch ist es (jenseits von Ausnahmesituationen) wahrscheinlich, dass es das geben wird.

Aus welchen Gründen sollten Jugendliche - egal, welcher Schicht, wirtschaftlicher oder Bildungs-Situation, aus welchem Milieu und aus welcher Region - mehrheitlich beruflich desinteressiert und lethargisch sein? So weit haben es legalisierter Cannabis-Konsum und Yoga-Kurse dann doch noch nicht gebracht. 

Wie sonst also kommt der Zeitgeist im oberen Management und bei zahlreichen Führungskräften und Verbandsvorsitzenden, Low Performer-Bashing zu betreiben, zustande?

  1. Wo kommt er her,
  2. welches Bedürfnis bedient er und
  3. welchem Zweck dient er? [Für Eilige: direkt zur Summary]


(1) Wo kommt er her?

Aktuell stehen sich zwei grundverschiedene Leistungs-Leitbilder gegenüber. Die etablierten Generationen, ich nenne sie Achiever, haben verinnerlicht,

  • dass Leistung sichtbar ist (ich sehe, wenn sich jemand reinhängt – abends um 21 Uhr im Büro oder an jeder Stelle, wo’s gerade brennt).
  • Dass gute Leistung überdurchschnittlich ist. Anerkennung und Belohnung verdient, wer »overdelivert«.
  • Und Anerkennung und Belohnung verdient, wer keine Fehler macht. Perfectionism matters – das Thema hatten wir schon.

Die anderen, ich nenne sie Gerneleister, sehen das nicht so. Sie leisten nur dann, wenn sie das gerne tun können. Und bei null Fehlertoleranz, Messlatten für Übermenschen oder Ausgebrannte und völlig unkalkulierbaren Ergebnis-Ansprüchen (was bedeutet hier „gut“?) ist gerne nicht möglich.

Die Etablierten kennen und verstehen das nicht, weil sie die prägende Lebenserfahrung der Jungen, die sie zu Gerneleistern hat werden lassen, nie gemacht haben: Von jetzt auf gleich aus dem Spiel genommen zu werden, aus heiterem Himmel, und machtlos zu sein. Ein Manager hat verinnerlicht: Wenn ich oben bin, bin ich nicht machtlos. Deshalb bin ich ja oben.

Dass das ein Irrtum ist, wissen heute vor allem die Jungen.


(2) Welches Bedürfnis bedient er?

Auf C-Level bedient der Zeitgeist trotz allem Bedürfnisse wie Dominanz, Durchsetzungswille, Machtanspruch, konfrontative und vertikale Kommunikationsmuster, Wertschätzung extrinsischer Motivatoren und Status-Abzeichen für Blinde und Anders-Herausgeforderte (sieht jeder).

Was den Gerneleistern der Zeitgeist hingegen verordnet:

  • Stets handlungs- und anpassungsfähig bleiben. Unabhängig, möglichst ohne Zwänge oder Vorgaben entscheiden können,
  • Abhängigkeiten, Verbindlichkeiten und unnötige Verpflichtungen vermeiden,
  • Echtzeit-Orientierung, also immer flexibel und agil bleiben,
  • sich gegenüber „Sparkonten-Mentalität“ (erst einzahlen und sich reinhängen, später – irgendwann – was 'rausbekommen) zu immunisieren („das Dümmste, was man machen kann“).


(3) Welchem Zweck dient er?

Der Zweck dieser Zeitgeist-Attitüde für etablierte Leader ist offensichtlich: Bis zum eigenen Ausscheiden aus dem System oben, relevant und anerkannt bleiben. In letzter Rille in die Rente rutschen – disruption after me, please.

Sie sind die letzte Generation, die es sich leisten kann (oder das glaubt), per Durchgriffsmacht ihre Pfründe zu sichern und eine Leistungsbereitschaft zu blockieren, die sich praktisch nur aus echtem Interesse speist, weil sie aus der Erfahrung vollumfänglicher Verwundbarkeit erwächst.

„Wenn ich etwas gut finde, häng ich mich voll rein. Alles andere interessiert mich nicht.“

Mal aufgedröselt: Der Zweck der Zeitgeist-Attitüde bei den Jungen (scheinbare Leistungszurückhaltung) ist:

  • sozialer, mentaler und physischer Survival-Druck in einer absehbar ganzen Lebensspanne voller Ungewissheit;
  • den unvergleichlich höheren Anforderungen an psychisches Gleichgewicht entsprechen lernen (Mental Health-Probleme laufen jetzt schon aus dem Ruder);
  • das trainierte Sensorium für plötzliche Breakouts aufrechterhalten und weiter pimpen („ich werde das noch nötig haben“).

Dies ist die erste Generation mit einem trainierten Bewusstsein für ökologische, sozial-gemeinschaftliche, geistig-mentale und berufliche Überlebensrisiken.


Generationenbashing ist eine Ausrede lernunfähiger Führungskräfte und Ausdruck schlechter Führungsleistung.

Warum also?

Weil die Jungen nicht „zu wenig“ leisten, sondern anders leisten. Und so, wie sie leisten, von den aktuellen Führungsverantwortlichen nicht in Leistung gebracht werden. Und die projizieren ihre eigene Hilflosigkeit auf die Jungen. This is how the real story goes.

Das Rumgenöle über mangelnde Leistungsbereitschaft der Jungen ist ein Feigenblatt aus Führungsetagen, die sich nicht selten schlicht in die Rente retten wollen und keine Lust haben, kurz davor noch eine Palastrevolution anzuzetteln. Die volkswirtschaftliche Situation, die sie mit dieser Bremse in voller demographischer Breite provozieren: schwer bezifferbar. Die gesellschaftlich Situation, die sie damit zementieren:

Wir arbeiten in Strukturen von gestern mit Methoden von heute an Problemen von morgen - vorwiegend mit Menschen, die die Strukturen von gestern gebaut haben und das Morgen nicht mehr erleben werden. Knut Bleicher

Um die Debatte vom Kopf auf die Füße zu stellen: Lernunwillige Leader blockieren Next Performance.

Natürlich sagt das keiner, denn wir sitzen alle im gleichen Boot. Angesichts der Situation draußen ist es auch sehr verständlich, systemisch allerdings ein Drama. Krisenfest werden heißt, das vorsichtig abzustellen; allerdings nicht mit Herumexperimentieren.

Next Performance-Konzepte gibt es längst, nur eher selten in Europa. Die richtig erfolgreichen sitzen bislang in den USA und China.

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