Welche Entscheidungsfehler mache ich, die ich gar nicht kenne?

Alle wollen anders denken, aber keiner will üben

Bias-Forschung gibt’s seit vielen Jahren, und von kognitiven Verzerrungen und Denkfehlern (»Bias«) sind inzwischen Hunderte bekannt. Es macht keinen Sinn anzufangen, jede Verzerrung kennen und vermeiden zu wollen – das funktioniert nicht, weil diese Fehler für unser Gehirn gar keine Fehler sind, nur für unsere Rationalitätsstandards, den homo oeconomicus.

Was jedoch hilft, ist Neugier auf die aktuelle Forschung. Einige dieser Verzerrungen sind leicht zu merken, und wer immer mal wieder einen Bias im Alltag verfolgt und auszutricksen versucht, bleibt sozusagen dran – wir können unsere Aufmerksamkeit dafür nämlich trainieren. Dazu muss man nicht alle Verzerrungen kennen, Sie können die Gegenwehr habitualisieren; einer von vielen Resilienz-Tricks.

Drei Denkfallen, die gerade aus den Gazetten fallen, in Unternehmen nützlich zu kennen sind, und wie Sie sie habitualisieren:

#Konflikte, #Verständigung, #Kommunikation:

1. Botschaft aus falschem Munde verpufft

Erwiesen ist, dass wir Aussagen grundsätzlich nach Kontext und Sprecher*in bewerten. Nach Inhalt auch, klar, aber besorgniserregend oft nachrangig. Das gilt sogar für triviale Aussagen. Beispiel: „Ohne Leidenschaft hast du keine Energie, ohne Energie hast du nichts.“ Nicht falsch, oder? Stammt von Donald Trump. 

Über Zustimmung und Ablehnung entscheidet die Quelle. Spricht jemand von unserer eigenen Gruppe oder von einer fremden, gar gegnerischen?

  • Überlegen, wen Sie etwas sagen lassen. Sollten Sie selbst sprechen oder besser jemand anderen bitten?
  • Gemeinsamkeiten und Schnittmengen herausstellen, Zugehörigkeit zum Sprecher-Umfeld triggern


#Innovation, #Selbstorganisation, #Thinking out of the box

2. Weniger ist mehr

Am meisten begrenzen uns Denkroutinen, die ganz unten im Fundament von Logik und Kultur verankert sind. Die sind leider auch am schwierigsten herauszufinden. Eine davon: Etwas hinzuzufügen ist besser als etwas abzuziehen. Unsere Kultur triggert das Mehren. In der Grundschule lernen wir zuerst die Addition, dann erst die Subtraktion. Lösungen, bei denen etwas hinzugefügt wird, sind aber nicht „besser“ als solche, die etwas auf seinen Kerngehalt reduzieren, die Schnickschnack wegfiltern. Unser Gehirn scheint das jedoch zu »glauben«.

  • Team-Meetings, Produktgestaltung, E-Mails u.a.m.: Ernennen Sie spielerisch einen „Subtractor in Chief“, der alle immer wieder daran erinnert, auch mal was wegzulassen
  • Erfolgreiche Streichaktionen im Unternehmen hervorheben, loben, öffentlich machen


#Dresscode, #Architektur, #Umgebung

3. Achte auf Konsistenz

Genauso seltsam, wie es ist, dass unser Gehirn lieber etwas hinzufügt als etwas abzieht, ist es auch, dass es unseren psychischen Zustand kalibriert an der Konsistenz des Außen. Kreatives Arbeiten in einer engen Dachkammer (großer kognitiver Radius auf engstem Raum) oder Kostümjacke mit Jogginghose (Homeoffice: oben hui, unten pfui) sind keine guten Ideen. Auch, wenn gar nichts dagegen spricht: Unser Gehirn registriert den Musterbruch, die soziallogische Inkonsistenz unseres Verhaltens. »Zu konzentrierter Arbeit gehört ein Business-Outfit« oder »Im Homeoffice kann ich in jedem Aufzug konzentriert arbeiten« - genauso wie »Kreativ-Arbeit ist Horizonterweiterung« sind Glaubenssätze unseres Gehirns. Dabei geht’s nicht um Inhalt, sondern um Form, um Stimmigkeit.

  • Für Harmonie der Assoziationen sorgen (Räume für Betriebsfeier und Kundengespräche trennen, Dresscode-Regeln klar kommunizieren)
  • Individualisierung bedeutet nicht Bricolage (thematisieren Sie das Phänomen – jede*r darf vieles selbst entscheiden, aber wir alle sollten das gehirngerecht tun)

Führungskräfte, die solches Denk-Tuning spielerisch und humorvoll stets mitlaufen lassen und immer mal wieder thematisieren, schärfen die Wahrnehmung, die Aufmerksamkeit für Entscheidungsroutinen - für die eigenen wie für die der anderen. Das hilft den Leuten wie dem Betrieb.

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