Inzwischen gibt es viele erprobte und beforschte Weisen, wie Führung auf Distanz gelingen kann. Das Führen beispielsweise virtueller Teams ist seit Langem ein etabliertes Forschungsfeld. Aus Zukunftsforschungssicht gibt es dabei jedoch ein paar gut gehütete blinde Flecken. Die hier gemeinten hängen mit einer zentralen Tabuisierung zusammen: dass das unangenehmste an dieser Situation - nämlich die Notwendigkeit, Selbstbild und Führungshabitus zu ändern - thematisch umgangen wird. Einfacher sind Tools: Techniken zu lernen, wie man empathisch führt, wie Meetings gut zu planen und durchzuführen sind, wie Motivation oder Community-Building »auf virtuell« funktionieren, wie die Sache mit Lob, Tadel und Kontrolle geregelt werden kann... Fragen gibt’s genug, und die sind handhabbar einfach zu thematisieren, zu beraten, selbst zu lernen und sogar relativ leicht umzusetzen. Und das reicht doch scheinbar.
Und dann gibt’s da noch die andere Seite, zu der wir vermutlich aktuell alle noch zu müde sind – verständlich wäre es. Hier geht es nicht mehr um Tool-Anwendungen, sondern um Selbstreflexion und mentale Beweglichkeit, denn Remote Leadership verändert beide Seiten; die Geführten wie die Führenden.
In dieser Liga sind die Pain Points der VUCA-Führung zu Hause. »Beschweigen hilft«, lautet derzeit die Devise. Führungskräfte, die vordenken und ihre Selbstlegitimation proaktiv gestalten wollen: Es nützt, sich den derzeit alternativlosen »Toolismus« bewusst zu machen, der ein Führen auf Distanz fest im Griff hat. Tipps zur Teamsteuerung sind gut, aber die neue Situation macht auch etwas mit den Führungskräften selbst. Sie verändert das gesamte Setting, auch Sie. Das ist der verdeckte Grund, warum um Remote aktuell so ein Theater gemacht wird, obwohl es virtuelle Führung - insbesondere in international aufgestellten Firmen - doch seit vielen Jahren gibt. Bloß benennt den keiner. Der nackte Kaiser trägt den Namen »Angst«.
(Wer’s genauer wissen will: Ein Ein-Tages-Sprint für Führungspsychologie auf VUVA-Level am 19.11.2021 lüftet diesen Nebel.)
Was denkst du?